6 Gründe, warum du ein Forschungstagebuch führen solltest

Lass dich nicht vom Namen (bei dem wir alle an rosa Büchlein aus der Teenie-Zeit denken…) abhalten, denn ein Forschungstagebuch kann dein mächtigstes Mittel sein, um deine Stimme als Wissenschaftler*in zu finden, eigene Ideen zu entwickeln, ins Schreiben zu kommen und den Überblick über dein Promotionsprojekt zu behalten.

In diesem Beitrag möchte ich dir das Forschungstagebuch deshalb genauer vorstellen. Du erfährst, was ein Forschungstagebuch ist, was alles hineingeschrieben wird, wie oft du hineinschreiben solltest und welche sechs großen Vorteile dir ein Forschungstagebuch bringt.


Wie sieht ein Forschungstagebuch konkret aus?

Forschungstagebuch, wissenschaftliches Journal, Logbuch, Zero Draft – nenn es, wie du willst.

Es kommt harmlos daher, aber es ist ein mächtiges Instrument. Denn ein Forschungstagebuch hilft dir, gleich mehrere der typischen Probleme im Schreibprozess einer Dissertation zu umgehen – mit wenig Aufwand.

Eng verwandt ist das Forschungstagebuch mit der Zero Draft-Methode, über die du hier mehr lesen kannst.

Ein Forschungstagebuch kann ein physisches “Tagebuch” sein – in Form einer Kladde, eines Hefts oder eines Büchleins, in das du per Hand hineinschreibst.

Es kann aber natürlich auch digital sein: Ein Word-Dokument, das du fortlaufend ergänzt, oder eine Notizen-App, die du im Idealfall sowohl auf dem Smartphone als auch am Laptop nutzen kannst.

Beide Varianten – physisch und digital – haben ihre Vorteile.

Vorteile eines handschriftlichen Forschungstagebuchs

Vielen Schreiber*innen fällt es leichter, neue Ideen und Gedanken zunächst mit der Hand aufzuschreiben, da es noch nicht so “offiziell” wirkt.

Der innere Kritiker bleibt eher still, wenn auf den ersten Blick ersichtlich ist, dass das Geschriebene nicht in dieser Form in der Dissertation stehen wird. Gedanken, Ansichten, Meinungen, Ideen können mutiger ausprobiert und unzensiert durchgespielt werden.

Außerdem lassen sich Mind-Maps oder Graphiken einfacher schnell per Hand zeichnen, als sie aufwendig am PC oder Smartphone erstellen zu müssen.

Vorteile eines digitalen Forschungstagebuchs

Ein großer Vorteil der digitalen Varianten ist, dass du deine Notizen leichter durchsuchen kannst, wenn du zu einem späteren Zeitpunkt etwas Bestimmtes suchst.

Wenn du mit einer Notizen-App arbeitest, die du (auch) auf deinem Smartphone verwendest, dann ist die Wahrscheinlichkeit zudem hoch, dass du dein Forschungstagebuch wirklich immer und überall dabei hast und so deine Ideen und Einfälle immer direkt notieren kannst.

Ein weiterer Vorteil der digitalen Variante: Gliederungen, Textfragmente usw. kannst du bei Bedarf aus der Notizen-App direkt in ein Textdokument kopieren und musst sie nicht erst abtippen, um damit weiterzuarbeiten.



Im Wesentlichen ist es aber eine Frage der persönlichen Vorlieben, ob man lieber per Hand in ein Büchlein schreibt oder auf der Tastatur tippt.

Und natürlich auch eine Frage der eigenen Stärken und Schwächen: Wer Schwierigkeiten damit hat, eigene Gedanken zu entwickeln, sollte die handschriftliche Variante ausprobieren.

Wer hingegen gut kreativ arbeiten kann, aber Probleme damit hat, den Überblick zu behalten und die eigenen Einfälle wiederzufinden, sollte ein digitales Forschungstagebuch (z. B. Notizen-App mit guter Suchfunktion) in Erwägung ziehen.

Was schreibe ich in ein Forschungstagebuch alles rein?

Dein Forschungstagebuch ist eine Sammelstelle für alles, was dich als Wissenschaftler*in und deine Forschungsarbeit betrifft:

  • Fragen, auf die du Antworten suchst

  • Titel für mögliche Kapitel

  • Ideen für Gliederungen

  • Cluster, mit denen du Ideen sammelst

  • Mind-Maps, die deine Gedanken sortieren

  • Notizen zu Fachtexten

  • Notizen zu Gesprächen (mit der Betreuungsperson, anderen Promovierenden, Wissenschaftler*innen auf Tagungen…)

  • Beobachtungen

  • Beispiele

  • Beweggründe für Entscheidungen (z. B. zu deiner methodischen Vorgehensweise, zu deiner Gliederung, zu deinem Themenschwerpunkt)

  • wichtige Zitate und deine Gedanken dazu

  • Titel von Fachtexten, die du noch lesen solltest

  • Aufgaben, die zu erledigen sind

  • Herausforderungen, die du noch bewältigen möchtest

  • wissenschaftliche Probleme, die du noch lösen möchtest

  • deine eigene Meinung zu Texten, Beobachtungen, Ergebnissen, Gesprächen, wissenschaftlichen Problemen

Welche Vorteile hat ein Forschungstagebuch?

Ein Forschungstagebuch zu führen hat gleich mehrere Vorteile; hier kommen sechs:

Vorteil #1: Du nutzt einen niedrigschwelligen Zugang zum Schreiben und verhinderst Schreibblockaden.

Schreibhemmungen bis hin zu Schreibblockaden entstehen häufig, weil ein zu hoher Anspruch an das Geschriebene besteht. Viele Doktorand*innen versuchen nämlich schon in der Rohfassung ihrer wissenschaftlichen Texte möglichst perfekt zu schreiben.

Wissenschaftliches Schreiben ist aber eine so komplexe Aufgabe (komplexer Inhalt, anspruchsvoller Stil, strikte formale Vorgaben…), dass es nahezu unmöglich ist, auf Anhieb druckreife Texte zu verfassen.

Viel leichter macht man sich den Schreibprozess, indem man ihn ganz bewusst entzerrt.

Erstmal nur Inhalte und Ideen sammeln und sortieren.

Dann an Strukturen und Formulierungen feilen.

Und ganz am Ende die formalen Vorgaben erfüllen.

(Mehr über die einzelnen Phasen des Schreibprozesses kannst du hier lesen.)

Ein Forschungstagebuch kann dir dabei helfen, einen niedrigschwelligen Zugang in den Schreibprozess zu finden und dich zunächst ganz auf deine Inhalte, deine Ideen und deine Gedanken zu konzentrieren.


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Vorteil #2: Du trainierst deine Schreibmuskeln.

Indem du regelmäßig in dein Forschungstagebuch schreibst, begleitet dich das Schreiben in jeder Phase deines Arbeitsprozesses.

Das Schreiben wird damit zu einem ganz selbstverständlichen Bestandteil deines Arbeitsalltags – und nicht zu einer besonderen (und manchmal leider auch furchteinflößenden) Aufgabe.

Mit regelmäßiger Übung wird es dir immer leichter fallen, in den Schreib-Flow zu kommen und deine Gedanken schriftlich auszuformulieren.

Vorteil #3: Du stellst dich und deine Ansichten in den Mittelpunkt.

Hört sich egozentrisch an, ist aber enorm wichtig.

Mit deiner Dissertation leistest du einen eigenen Beitrag zum Stand der Forschung der scientific community.

Dafür musst du dir Wissen zu eigen machen. Du musst eigene Gedanken, eigene Ideen, eigene Ansätze, eigene Meinungen entwickeln. Deine Ansichten als Wissenschaftler*in sind für deine Dissertation essentiell.

Ein Forschungstagebuch kann dir dabei helfen, den Fokus von den Meinungen und Ansichten anderer (z. B. aus der Forschungsliteratur) zu deinen eigenen Ansichten und Meinungen zu verschieben.

Indem du regelmäßig deine eigenen Gedanken zu Texten, Phänomenen, Gesprächen etc. in deinem Forschungstagebuch aufschreibst, übst du dich darin, deine eigene Stimme als Wissenschaftler*in zu finden.

Durch diese regelmäßige Übung wirst du immer sicherer darin, deinen wissenschaftlichen Standpunkt zu formulieren, zu begründen und auch zu verteidigen – sei es auf Tagungen, in Gesprächen mit Kolleg*innen oder in deiner Dissertation.

Vorteil #4: Du förderst deine Kreativität und schaffst Raum für Innovationen.

Niemand außer dir wird deine Einträge im Forschungstagebuch lesen. Dein Forschungstagebuch ist ein geschützter Raum.

Hier kannst du Gedanken durchspielen, Ideen formulieren und Meinungen aufschreiben.

Völlig unzensiert deiner Kreativität freien Lauf lassen.

Vielleicht wirst du über einige deiner Einfälle zu einem späteren Zeitpunkt lachen – und froh sein, dass sie niemand zu Gesicht bekommt.😉

Andere Gedanken sind aber vielleicht der Beginn eines tragfähigen Konzepts, das du entwirfst.

Oder die Weiterentwicklung einer wissenschaftlichen Theorie.

Oder die Ausarbeitung eines ganz neuen methodischen Ansatzes.

Dein Forschungstagebuch kann dein Raum für Kreativität und für Innovationen sein.

Vorteil #5: Du hast eine Gedächtnisstütze.

Dein Forschungstagebuch ist nicht nur ein Ort für kreative Einfälle und innovative Ideen, sondern auch eine ganz simple Gedächtnisstütze.

Promotionsprojekte sind so riesengroß und auf so lange Zeit angelegt, dass es unmöglich ist, alle Überlegungen nur im Kopf zu behalten.

Wenn du beispielsweise die Entscheidung triffst, ein bestimmtes Kriterium aus deiner Analyse auszuschließen, dann notiere dir deine Beweggründe dafür.

Wenn du dich entschließt, einen bestimmten Bereich deines Themas auszuklammern, dann schreib dir auf, wie du zu dieser Entscheidung gekommen bist.

Auch wenn du in dem Moment glaubst, dass es nicht notwendig ist, sich so etwas aufzuschreiben.😉

Glaub mir.

Du wirst dich nicht an alles erinnern können. Und dir vielleicht ein paar Monate oder auch ein paar Jahre später genau darüber den Kopf zerbrechen.

Damit du nicht alles zwei- oder sogar dreimal gedanklich durchkauen musst, lohnt es sich ein Forschungstagebuch zu führen.

Vorteil #6: Du hast alles an einem Ort.

Und zuletzt noch ein ganz pragmatischer, aber nicht zu unterschätzender Punkt: Mit einem Forschungstagebuch sammelst du alles an einem Ort.

Ich habe zu Beginn meiner Promotionszeit mit unzähligen Notizzetteln gearbeitet. Immer wenn ich einen Einfall hatte und mir schnell etwas notieren wollte, habe ich nach dem nächstbesten Zettel gegriffen und meine Gedanken aufgeschrieben.

Das Ergebnis dieser Vorgehensweise: Ein ganz großes Zettelchaos.🤯

Ich möchte ehrlich gesagt nicht daran zurückdenken, wie viel Zeit es mich gekostet hat, nach bestimmten Zetteln zu suchen, von denen ich wusste, dass sie doch irgendwo sein müssen…

Ein Forschungstagebuch hat den großen Vorteil, dass du nur einen festen Ort hast für alle deine Ideen, Gedanken und Notizen, die dich als Wissenschaftler*in und deine Forschungsarbeit betreffen.

Wie oft sollte ich in mein Forschungstagebuch schreiben?

Immer dann, wenn dir etwas einfällt.😉

Wenn du aber insgesamt eher Schwierigkeiten damit hast, ins Schreiben zu kommen, eigene Ideen zu entwickeln und deine Gedanken zu Papier zu bringen, dann kann Regelmäßigkeit helfen.

Du könntest dir zum Beispiel angewöhnen, immer vor deiner Arbeit an deinem Promotionsprojekt für 15 Minuten in dein Forschungstagebuch zu schreiben.

Schreib auf, was dich gerade beschäftigt, welche Ideen du hast, was gerade zu tun ist, welche Texte du noch lesen möchtest, was du demnächst für deine Dissertation tun möchtest… .

Mit regelmäßiger Übung kommst du immer leichter ins Schreiben und dein Forschungstagebuch wird zu einem festen Bestandteil deines Arbeitsalltags.

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Exposé für die Dissertation schreiben: Form, Inhalt, Gliederung

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