Die Kunst des Weglassens – Oder: Wie du deine Dissertation verbessern kannst

Auch wenn Dissertationen riesengroße Projekte sind, darf nicht vergessen werden: Qualität ist wichtiger als Quantität. Und tatsächlich profitieren viele Doktorarbeiten von der Kunst des Weglassens.

In diesem Beitrag zeige dir deshalb, was du alles weglassen kannst, um deine Doktorarbeit zu optimieren.

Dissertation verbessern

Die Kunst des Weglassens

Wie schaffe ich es, schnell viel Forschungsliteratur zu lesen?

Wie schaffe ich es konzentriert zu bleiben, um meine vielen Auswertungen zu schaffen?

Wie schaffe ich es, schnell viel Text zu produzieren?

Das sind Fragen, die ich schon häufig in meinen 1:1-Beratungen gehört habe. Und es sind berechtigte Fragen, denn eine Dissertation zu schreiben, ist nun einmal sehr, sehr, sehr viel Arbeit.

Es muss viel gelesen werden.

Es muss viel ausgewertet werden.

Es muss viel geschrieben werden.

In diesem Beitrag möchte ich den Fokus aber etwas verrücken und dir zeigen, wie du durch WENIGER deine Dissertation optimieren kannst.

Hier kommen sieben Ideen, was du alles weglassen kannst.

7 Ideen, was du alles weglassen kannst

#1 Ziele und Forschungsfragen weglassen

Doktorarbeiten gehen in die Tiefe und nicht in die Breite.

Du musst nicht alles zu einem bestimmten Themenbereich bearbeiten, sondern nur wenige Aspekte, diese aber dafür extrem tiefgründig.

Konzentriere dich deshalb auf wenige Forschungsfragen und wenige Ziele deiner Dissertation. Fang mit dem an, was dir am Wichtigsten und Spannendsten erscheint – und lass alles andere weg.

Damit vermeidest du, dass deine Doktorarbeit zu einem schwammigen Überblick über einen weiten Themenbereich wird.

Und schreibst stattdessen anspruchsvolle und pointierte wissenschaftliche Abhandlungen zu relevanten Fragestellungen.



#2 Forschungsliteratur weglassen

Ohne dein Thema zu kennen, lehne ich mich mal aus dem Fenster und behaupte: Du kannst unmöglich die gesamte Forschungsliteratur zu deinem Promotionsthema aufarbeiten. Denn es ist zu viel.

Deshalb musst du zwangsläufig eine Auswahl treffen.

Ein Ansatz dafür, den ich hier mit dir teilen möchte, stammt von der Schreibtrainerin Judith Wolfsberger. In ihrem Buch “Frei geschrieben” teilt sie Forschungsliteratur in drei Kategorien ein: Freund*innen, Bekannte und Hausierer. Und das verbirgt sich dahinter:

1. Freund*innen

Diese Texte gehören zu deiner Basisliteratur. Hierbei handelt es sich um die wenigen Texte, die du ganz ausführlich, wahrscheinlich sogar mehrmals und bis ins letzte Detail liest. Du arbeitest intensiv mit diesen Texten, da sie den Kern deines Promotionsthemas betreffen.

Vielleicht schreibst du zu diesen Texten Zusammenfassungen oder legst Mind-Maps an, um dir das Wissen leichter erschließen zu können. Du verbringst viel Zeit mit diesen Texten und tauchst ganz tief in sie ein.

2. Bekannte

Viele andere Texte sind zwar nützlich für deine Dissertation, weil sie dir Hintergrundinformationen, das eine oder andere Detail oder auch eine Definition liefern – du arbeitest aber nicht so intensiv mit ihnen wie mit deinen wenigen “engen Freund*innen”.

Bei diesen Texten wäre es reine Zeitverschwendung, seitenlange Exzerpte oder aufwändige Mind-Maps anzufertigen – stattdessen kannst du bei diesen Texten die relevanten Textstellen markieren oder direkt das Relevante für dich herausschreiben.

3. Hausierer

Zu der dritten Kategorie gehören alle die Texte, die zwar interessant sind und irgendwie mit deinem Promotionsthema zu tun haben, aber eher nur entfernt.

Die Gefahr, die von diesen Texten ausgeht: Wenn du ihnen zu viel Zeit schenkst, drehen sie dir Inhalte an, die dich vom Kern deiner Forschungsfrage vielleicht sogar eher wegführen.

Was macht man mit solchen Texten? Zur Kenntnis nehmen, an geeigneter Stelle in deiner Dissertation (z. B. in einer Fußnote) auf sie verweisen und dann keine Zeit mit ihnen verschwenden.

Leg Texte dieser Art bloß nicht auf deinen Stapel mit “noch zu lesender Literatur“, sondern lass sie einfach weg.

#3 Methoden weglassen

Weil Dissertationen so große wissenschaftliche Projekte sind, ist auch hier die Versuchung für viele Promovierende groß, sich zu viele verschiedene Methoden vorzunehmen.

Aber: Es dauert meistens leider ziemlich lange, bis wir uns in neue Verfahren und Methoden so tief eingearbeitet haben, dass wir sie gekonnt und sinnvoll einsetzen können.

Triff hier eine bewusste Auswahl.

Mehr ist nicht immer besser.

Werde stattdessen richtig gut in den wenigen Methoden und Verfahren, die hochrelevant für deine Forschungsarbeit sind.

Und lass alle anderen weg.


Faden verloren? Total verzettelt?

Hol dir den Fahrplan für deine Dissertation und bring dein Promotionsprojekt wieder unter Kontrolle!


#4 Ergebnisse weglassen

Jetzt kommen wir an einen ziemlich schmerzhaften Punkt.

Und ich vermute, dass fast jede Doktorandin und fast jeder Doktorand früher oder später an diesen Punkt kommt.

Du hast viel Zeit investiert, viele Daten ausgewertet und jede Menge Ergebnisse produziert.

Was nun aber richtig gute (also potenziell summa cum laude) Dissertationen von mittelmäßigen unterscheidet, ist auch hier die Kunst des Weglassens.

Deine Dissertation sollte nämlich keine Sammlung von Ergebnissen zu einem bestimmten Daten-Set oder einem weiten Themenbereich werden, sondern einen eindeutigen ‘roten Faden‘ aufweisen.

Deshalb solltest du dich fragen, welche deiner Ergebnisse in deinen ‘roten Faden‘ passen.

Was gehört zu deiner Story?

Welche Ergebnisse brauchst du wirklich, um deine Forschungsfragen zu beantworten?

Lass alle anderen weg.

(Aber bitte speichere sie für Nebenprojekte oder spätere Publikationen.😉)

#5 Kapitel weglassen

Und noch ein schmerzhafter Punkt!

Denn nicht nur auf der Ebene deiner Forschung, sondern auch im späteren Text kannst du deine Dissertation durch WEGLASSEN verbessern.

Damit eine wissenschaftliche Arbeit zu einer ‘runden Sache’ wird, braucht sie im Allgemeinen diese grobe (und vereinfachte) Struktur:

  1. Es gibt ein wissenschaftliches Problem. Daraus ergeben sich Fragen.

    Du beantwortest diese Fragen

  2. mithilfe der Forschungsergebnisse von anderen (Forschungsliteratur)

  3. und deiner eigenen Forschung.

  4. Danach fasst du alles zusammen und gibst einen Ausblick auf neue wissenschaftliche Probleme.

Was in dieser groben Struktur keinen Platz hat: Nebenthemen und Exkurse.

Es passiert vielen Promovierenden, dass sie viel Zeit investieren und viele Texte lesen, viel schreiben – und später feststellen, dass ganze Kapitel nicht den Kern des eigenen Promotionsthemas betreffen.

Lass solche Kapitel weg.

Und konzentriere dich nur auf die Kapitel, die zu deinem ‘roten Faden’ passen.

(Aber bitte speichere alle Textteile ab. Vielleicht nutzt du sie noch für eine andere Veröffentlichung.)

#6 Absätze weglassen

Was du im Großen für deine gesamte Dissertation machst, solltest du auch im Kleineren für deine einzelnen Kapitel machen. So kannst du die Struktur deiner Kapitel gezielt verbessern.

Frage dich, welche deiner Absätze für den ‘roten Faden’ deiner Kapitel essentiell sind.

Was brauchst du, um deine Leser*innen durch deine Inhalte zu führen?

Behalte nur die Absätze, die du wirklich brauchst, und lass alle anderen weg.

#7 Sätze weglassen

Ein Doktorand in meiner 1:1-Beratung kam neulich mit einem ganz konkreten Anliegen zu mir: Sein Betreuer hatte ihm Feedback auf sein Exposé gegeben und ihm gesagt, der Text sei zu “aufgebläht“ und er solle ihn noch einmal “gründlich überarbeiten“.

Mit diesem unkonkreten Textfeedback wusste er natürlich nichts anzufangen und fragte mich, was er nun genau “gründlich überarbeiten“ solle.

Wir schauten uns den Text gemeinsam an und entdeckten, dass er dazu neigte, ähnliche inhaltliche Aussagen in mehreren Sätzen hintereinander auf leicht unterschiedliche Art und Weise auszudrücken.

Um den wissenschaftlichen Stil zu verbessern, schlug ich ihm vor, die Kernaussage von jedem Absatz herauszuarbeiten. Durch diesen Fokus gelang es ihm, wichtige von unwichtigen Sätzen zu unterscheiden und den Text enorm zu straffen.

Wenn es dir ähnlich geht:

Frage dich, welche Funktion jeder Absatz erfüllt.

Bring diese Funktion sprachlich zum Ausdruck und lass alles andere weg.

So bringst du deine Inhalte prägnant auf den Punkt.

Und deine guten Ideen verschwinden nicht in aufgebauschten Texten.

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