đBuchtipp #1: âWriting Your Dissertation in Fifteen Minutes a Dayâ (Joan Bolker)
Den Auftakt zu dieser Serie mit Buchtipps fĂŒr die Promotionszeit macht ein absoluter Klassiker: Joan Bolkers Buch Writing Your Dissertation in Fifteen Minutes a Day ist erstmals 1998 erschienen und hat schon Generationen von Promovierenden auf dem Weg zum Doktortitel begleitet.
Ich persönlich habe eine ganz besondere Bindung zu diesem Buch, denn ich habe es wĂ€hrend meiner eigenen Promotionszeit gelesen und wĂŒrde behaupten, dass es meinen Blick auf das Schreiben meiner Dissertation vollkommen revolutioniert hat.
Im Blogbeitrag erfÀhrst du meine persönlichen 4 Key Learnings aus Writing Your Dissertation in Fifteen Minutes a Day.
Writing Your Dissertation in Fifteen Minutes a Day (Joan Bolker): Meine 4 Key Learnings
Joan Bolkers Buch Writing Your Dissertation in Fifteen Minutes a Day habe ich wĂ€hrend meiner eigenen Promotionszeit gelesen â und ich muss sagen: zum GlĂŒck!
Mich persönlich hat das Buch genau dort abgeholt, wo ich damals mit meinem Promotionsprojekt stand: NĂ€mlich vor zwei groĂen Baustellen.
Meine erste groĂe Baustelle war mein Zeitmanagement. Neben meinem Uni-Job habe ich zu unregelmĂ€Ăig am Promotionsprojekt gearbeitet und die Dissertation ist immer wieder fĂŒr lĂ€ngere Phasen in den Hintergrund gerĂŒckt.
Meine zweite groĂe Baustelle zu diesem Zeitpunkt war, dass ich einfach keinen Zugang zum Schreiben gefunden hatte. Blockiert von meinem zu hohen Anspruch an eine Rohfassung kam es mir vollkommen unmöglich vor, meine Inhalte zu Papier zu bringen.
FĂŒr diese beiden Baustellen habe ich in Bolkers Buch AnsĂ€tze und Strategien gefunden, die den Knoten fĂŒr mich gelöst haben.
Und auch danach, in den spÀteren Phasen meiner Promotionszeit, hat mir Bolkers Buch immer wieder bei verschiedenen Herausforderungen sehr geholfen.
Es war fĂŒr mich das erste Ratgeber-Buch zum wissenschaftlichen Schreibprozess, das ich in die Finger bekommen hatte, und auch nachdem ich mittlerweile so einige andere Ratgeber kennenlernen durfte, muss ich sagen, Joan Bolkers Buch ist und bleibt meine Top-Empfehlung!đ
Im Folgende stelle ich dir meine persönlichen 4 Key Learnings vor, die das Buch fĂŒr mich so wertvoll gemacht haben.
#1 âWrite every dayâ
Der Titel des Buchs ist Programm: Bolker schlĂ€gt vor, jeden Tag mindestens 15 Minuten an der Dissertation zu arbeiten (man darf aber zum GlĂŒck selbst definieren, ob man jeden Arbeitstag oder wirklich jeden Tag meintđ).
Das klang fĂŒr mich wĂ€hrend meiner Promotionszeit zunĂ€chst einerseits nach sehr viel, denn ich war weit davon entfernt, so regelmĂ€Ăig an meiner Dissertation zu arbeiten.
Und andererseits klang das fĂŒr mich nach viel zu wenig, denn was bitte soll man in 15 Minuten schaffen!?
Ich muss ehrlich sagen, dass ich zunÀchst sehr skeptisch war und mir nicht vorstellen konnte, dass so kurze Arbeitssessions einen Unterschied machen.
Trotzdem habe ich dem Ansatz eine Chance gegeben und es einfach mal ausprobiert.
Und was soll ich sagen: Es war ein Game-Changer!
In meinem Kopf war die Dissertation zuvor immer ein ultra-komplexes und anstrengendes Projekt, fĂŒr das ich mindestens einen halben, wenn nicht besser einen ganzen Arbeitstag brauche, um etwas schaffen zu können. Diese langen Arbeitssessions kamen aber viel zu selten, wodurch ich immer wieder den Kontakt zu meinem Promotionsprojekt verlor.
Mit den von Bolker vorgeschlagenen kurzen, sehr regelmĂ€Ăigen Arbeitssessions kam fĂŒr mich die Leichtigkeit zurĂŒck. Es fĂŒhlte sich plötzlich viel machbarer an.
Und ĂŒberraschenderweise habe ich auch in 15 Minuten Einiges geschafft. Die KontinuitĂ€t ist dabei der SchlĂŒssel. Wenn man gedanklich durch zu lange Pausen gar nicht erst rauskommt, ist man ab Minute 1 voll konzentriert dabei.
Bolker schreibt in der Einleitung ihres Buches, dass sie zwar niemanden kennt, der oder die mit ânurâ 15 Minuten am Tag eine Dissertation fertig geschrieben hat â aber sie kennt sehr viele, die mit 15 Minuten am Tag einen Prozess in Gang gesetzt haben, der zum erfolgreichen Abschluss gefĂŒhrt hat. WĂŒrde Bolker mich persönlich kennen, wĂ€re ich auch dabei.đ
(Das Konzept der kurzen Arbeitssessions habe ich auch in meinem Blogartikel âBingeâ oder âSnackâ â Welche Schreibstrategie klappt am besten fĂŒr die Dissertation? vorgestellt. Lies gerne rein, wenn du mehr erfahren möchtest.)
#2 âWrite firstâ
Mein zweites Key Learning aus Joan Bolkers Buch ist so simpel wie effektiv: âWrite first.â
Bolker erzĂ€hlt, dass sie diesen Ratschlag von der Poetin Ruth Whitman bekommen hat. Und Whitman meinte âwrite firstâ wortwörtlich: Schreiben war das Erste, was sie jeden Tag machte.
Bolker konnte die Umsetzung dieses Ratschlags auf einem mehrtĂ€gigen Schreibworkshop mit Whitman hautnah miterleben: Obwohl das Haus, in dem die Workshop-Gruppe gemeinsam wohnte, direkt an einem wunderschönen Strand lag, begann Whitman ihren Tag nicht mit einem angenehmen Strandspaziergang oder netten Unterhaltungen mit den Workshop-Teilnehmer*innen â nein, sie machte sich jeden Morgen einen Kaffee und verschwand fĂŒr zwei Stunden in ihrem Zimmer, um zu lesen und zu schreiben.
Konsequent, jeden Tag.
Wieder zurĂŒck zu Hause hat Bolker diesen Write-first-Rhythmus selbst ausprobiert â und bereut, nicht schon eher auf diese Weise gearbeitet zu haben.
Bolkers Schilderungen haben mich dazu inspiriert, es auch so auszuprobieren. Insbesondere an Tagen, an denen ich nicht in mein Uni-BĂŒro gefahren bin, sondern zu Hause gearbeitet habe, bin ich direkt morgens nach dem Aufstehen mit einem Kaffee an den Schreibtisch gegangen. Zwei Stunden konzentrierte Arbeit habe ich zwar nicht geschafft, denn irgendwann war meine Tochter wach und musste fĂŒr die KiTa fertig gemacht werden â aber zwei Stunden mĂŒssen es ja auch gar nicht sein (siehe Key Learning #1 đ).
Diese morgendliche Arbeitszeit war fĂŒr mich hĂ€ufig die beste und produktivste am Tag. Der Kopf ist morgens noch frischer, die Ablenkungen geringer und die Willenskraft gröĂer, als wenn schon ein halber Arbeitstag hinter einem liegt. Und das GefĂŒhl, mit dem man durch den restlichen Tag geht, wenn man morgens schon was fĂŒr die Diss geschafft hat, ist einfach toll.
âWrite firstâ passt natĂŒrlich nicht fĂŒr jede*n. Wenn du eine ausgeprĂ€gte Eule sein solltest und deine produktivsten Zeiten eher abends sind, dann wĂŒrdest du dich morgens nur quĂ€len.
FĂŒr viele Menschen funktioniert es aber sehr gut, wenn die schwersten, anstrengendsten und wichtigsten Aufgaben an den Tagesanfang gelegt werden.
#3 âMaking a messâ
Bolkers Buch hat mir nicht nur dabei geholfen, die Arbeit am Promotionsprojekt viel besser in meinen Alltag zu integrieren (siehe Learning #1 und #2), sondern hat auch meinen Blick auf den Schreibprozess völlig verÀndert.
Denn, um ehrlich zu sein, mir viel der Einstieg ins Schreiben meiner Dissertation ziemlich schwer. Und das war fĂŒr mich eine groĂe Ăberraschung, denn bislang hatte ich eigentlich nie Probleme damit.đ€
An meine Dissertation hatte ich aber einen total ĂŒberhöhten Anspruch, der mich völlig blockiert hat. Ich wollte es von Anfang an richtig gut machen â und saĂ lĂ€nger als mir lieb ist vor einem perfekt formatierten Word-Dokument, das eigentlich ja nur noch mit Inhalt gefĂŒllt werden musste.
Neben dem ĂŒberhöhten und völlig blockierenden Anspruch war ich auch wie gelĂ€hmt von der FĂŒlle an Forschungsliteratur, die ich in meine Dissertation irgendwie einarbeiten wollte bzw. musste. Auch hier wollte ich es richtig gut machen, keine wichtigen Fachartikel vergessen und alles berĂŒcksichtigen.
Kurz gesagt: Ich saĂ wie das Kaninchen vor der Schlange und wusste nicht, wie ich diese riesengroĂe Arbeit angehen kann.đł
In Joan Bolkers Buch habe ich die Antwort gefunden: âMaking a messâ.
Zuerst war ich skeptisch â ich saĂ schlieĂlich vor einem perfekt formatierten Word-Dokument und wollte es mit Inhalt fĂŒllen. âMaking a messâ hörte sich da nicht gerade zielfĂŒhrend an!
Aber â mein eigener Ansatz hatte ja nun gar nicht funktioniert, also gab ich Bolkers Idee eine Chance.
Bolker schlÀgt vor, mit einem Zero Draft zu beginnen. Das erste, was man schreibt, ist also nicht ein First Draft (wie ich es mit meinem perfekt formatierten Word-Dokument versucht hatte). Noch davor entsteht das Zero Draft.
Ein Zero Draft ist eine bunte Sammlung an Schreibprodukten. Bolker empfiehlt, viel mit Freewriting zu arbeiten (also fĂŒr eine vorab festgelegte Zeit einfach drauflosschreiben). Ein Zero Draft kann aber aus Schreibprodukten verschiedenster Art bestehen: Notizen, Stichpunkten zu Fachartikeln, Literaturzusammenfassungen, Visualisierungen von eigenen Ideen, eigene Gedanken usw.
Ein Zero Draft hat keine bestimmte Form, es ist nur fĂŒr die eigenen Augen bestimmt, es enthĂ€lt wahrscheinlich auch vieles, das nicht in der spĂ€teren Dissertation verwendet wird.
Aber es ist ein Startpunkt. Und zwar ein Startpunkt, von dem aus man sich gut schrittweise voranarbeiten kann.
Bolker zitiert in ihrem Buch den Psychologen William G. Perry Jr., der den Schreibprozess so beschreibt: âFirst you make a mess, then you clean it upâ (S. 34).
Als ich diesem Ansatz folgte, hieà das: Ich brauchte keine super durchdachte Gliederung, ich brauchte keine eleganten EinleitungssÀtze, ich brauchte keinen perfekten roten Faden, ich brauchte noch keinen super Plan, wo ich die ganze Forschungsliteratur einarbeiten kann, um mit dem Schreiben beginnen zu können.
Nach diesem Ansatz konnte ich stattdessen âŠ. einfach anfangen.
Einfach so starten und Chaos produzieren.đ
Mich persönlich hat dieser âmaking a messâ und Zero Draft-Ansatz von meinem ĂŒberhöhten Anspruch befreit und es mir ermöglicht, niedrigschwellig ins Schreiben zu kommen. Was fĂŒr ein Game-Changer!
(Mehr ĂŒber diesen Ansatz kannst du ĂŒbrigens in diesem Blogartikel lesen: Mit der Doktorarbeit anfangen: Wie dir die Zero Draft-Methode hilft, ins Schreiben zu kommen)
#4 âItâs not inspiration but hard work that produces simple, elegant writingâ
Nachdem ich mithilfe von Bolkers AnsÀtzen einen guten Einstieg ins Schreiben gefunden hatte, lief es richtig gut! Aus meinem Zero Draft entwickelte sich schleichend ein First Draft. Meine Arbeit nahm immer mehr Form an. Und irgendwann hatte ich so etwas wie eine vorlÀufige Version der zentralen Inhalte meiner Dissertation.
Nun ging es also nicht mehr primĂ€r darum, Neues zu erarbeiten, sondern meine Texte zu ĂŒberarbeiten.
Was ich damals noch nicht wusste: Die Ăberarbeitung einer Dissertation ist mit nichts vergleichbar, was ich vorher gemacht hatte. Denn eine Arbeit mit 250+ Seiten liest man nicht mal eben durch, um den roten Faden zu ĂŒberprĂŒfen. Bei einer Dissertation kann man nicht mal schnell die Inhalte ĂŒberprĂŒfen und ĂŒberlegen, ob alles logisch erscheint.
Bolker bringt es auf den Punkt, wenn sie schreibt:
âOne of the hardest parts of a dissertation project is that there is so much of it to keep track of and think about, all at the same time. Such a project is just too big to hold it all in your head at once, and too complex to get it right the first time. [âŠ] you canât usually write a decent dissertation without doing at least as much work revising as you did composing your original draft.â (S. 119-120)
Bolkers Buch hat mir geholfen zu erkennen, wie wichtig die Ăberarbeitungsphase im Schreibprozess ist. Denn erst durch die Ăberarbeitung wird ein wissenschaftlicher Text adressatenorientiert. Erst durch die Ăberarbeitung werden gute Ideen zu einer sehr guten Dissertation.
Gleichzeitig hat Bolker mir verdeutlicht, dass es die Ăberarbeitungsphase wirklich in sich hat ⊠und dass ich dafĂŒr noch einmal ungefĂ€hr die gleiche Zeit einplanen sollte, die ich zum Verfassen meiner Texte benötigt habe.đ±
In der Ăberarbeitungsphase geht es ums Durchhalten:
âRevision requires stamina: you canât quit just because youâre tried, or because you donât ever want to see one particular paragraph again, or because you hope your writing is O.K., even though you know it isnât. [âŠ] the biggest temptation for most people [âŠ] is to quit too soon. [âŠ] Just as itâs O.K. to be scared, itâs also O.K. to be tired or bored, just so long as you keep working anyway.â (S. 124)
Bolkers Buch kann einem die Anstrengung der Ăberarbeitungsphase und des Endspurts natĂŒrlich nicht abnehmen â aber ich habe mich in ihrem Buch so gesehen und verstanden gefĂŒhlt, dass es mich motiviert hat, durchzuhalten und dranzubleiben.
Fazit
Neben meinen persönlichen Key Learnings thematisiert das Buch noch diverse andere Herausforderungen im Promotionsprozess. Bolker geht zum Beispiel auch ausfĂŒhrlich auf typische Ăngste im Promotionsprozess, auf Perfektionismus und Prokrastination ein. Sie bietet Strategien, um diese mentalen HĂŒrden zu ĂŒberwinden und eine positive Einstellung zum Schreibprozess zu entwickeln und beizubehalten.
Wenn du also auf der Suche nach einem Buch bist, das dich vom Anfang bis zum Ende des Schreibprozesses begleitet, das dir Mut macht und das dir praktische Strategien an die Hand gibt, dann bist du bei Bolker genau richtig.
Lediglich das Kapitel 2 Choosing an Advisor and a Committee kann man ĂŒberspringen, denn das ist stark auf das US-amerikanische System ausgelegt, sodass viele Inhalte daraus fĂŒr Promotionen in Deutschland nicht relevant sind. Und auch den Anhang zum Thema How the Computer Revolution Affects You and Your Dissertation ist natĂŒrlich etwas in die Jahre gekommen.đ
Davon mal abgesehen ist Bolkers Ratgeber aber auch heute noch so aktuell und hilfreich wie in 1998 und wirklich sehr empfehlenswert.
Zum Weiterlesen
Bolker, Joan (1998): Writing Your Dissertation in Fifteen Minutes a Day. A Guide to Starting, Revising, and Finishing Your Doctoral Thesis. New York: Henry Holt.
Hier findest du alle BeitrĂ€ge mit Buchtipps fĂŒr die Promotionszeit.