đBuchtipp #2: âSelbstcoaching in der Wissenschaft â Wie das Schreiben gelingtâ (Katja GĂŒnther)
Willkommen zum zweiten Teil meiner Buchtipp-Serie fĂŒr die Promotionszeit! In diesem Blogbeitrag stelle ich ein Buch vor, das wahrscheinlich viele noch nicht kennen: "Selbstcoaching in der Wissenschaft â Wie das Schreiben gelingt" von Katja GĂŒnther. Katja GĂŒnther ist systemische Schreibcoachin, und genau das spĂŒrt man in ihrem Buch auf jeder Seite. Sie beleuchtet das gesamte Umfeld des wissenschaftlichen Schreibens â weit ĂŒber die reine Textproduktion hinaus.
In diesem Blogbeitrag stelle ich dir einige Kernkonzepte aus diesem netten, kleinen Ratgeber vor und erlĂ€utere, wem ich dieses Buch unbedingt empfehlen wĂŒrde.
Mehr als nur Schreiben: Der ganzheitliche Ansatz
Katja GĂŒnthers Buch ist 2020 erschienen und war damit fĂŒr meine eigene Promotionszeit leider knapp zu spĂ€t. Beim Lesen hatte ich aber das GefĂŒhl, eine kleine Zeitreise zu machen: ZurĂŒck in meinen Alltag als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni, in dem ich irgendwie versucht habe, neben all den Anforderungen, die von auĂen an mich herangetragen wurden, auch noch Zeit fĂŒr tiefe Konzentration und produktives Schreiben zu finden.
Katja GĂŒnther weiĂ, wovon sie spricht. Sie kennt die akademische Welt, beschreibt sehr genau, mit welchen Herausforderungen der Alltag im universitĂ€ren Kontext gespickt ist und warum das Schreiben (trotz seiner immensen Wichtigkeit) leider hĂ€ufig viel zu kurz kommt.
Dementsprechend zeichnet sich GĂŒnthers Buch dadurch aus, dass es einen ganzheitlichen und tiefgehenden Ansatz verfolgt, der das Schreiben in einen gröĂeren Arbeits- und Lebenskontext stellt.
Im Kern geht es um "das gute Leben und Arbeiten" (S. 13). Das ist der Leitsatz in Katja GĂŒnthers Arbeit als systemische Schreibcoachin und das zentrale Konzept ihres Buches. Sie betont:
"Arbeiten, Schreiben und Alltag, Wechsel von Anstrengung und Entspannung, tiefe Konzentration und gute, erholsame Pausen gehören zusammen. Aus ihnen besteht das Schreibleben" (S. 13).
GĂŒnther geht davon aus, dass ProduktivitĂ€t und LebensqualitĂ€t im wissenschaftlichen Alltag eng miteinander verbunden sind. Es geht nicht nur darum, mehr zu schreiben, sondern auch darum, sich dabei gut zu fĂŒhlen und nicht im Hamsterrad des Wissenschaftsbetriebs aufgerieben zu werden.
Das ist es, was dieses kleine BĂŒchlein so besonders macht: Nicht nur das Schreiben wird betrachtet, sondern das gesamte System, in dem es stattfindet (oder auch bislang leider noch nicht stattfindet).
Selbstreflexion und -organisation: Expert*in des eigenen Schreibens werden
Um "das gute Leben und Arbeiten" wirklich umsetzen zu können, steckt das Buch voller Coaching-Fragen und Ăbungen zur Selbstreflexion.
Da Schreiben "immer innerhalb einer sehr individuellen und komplexen Lebensorganisation" (S. 13) stattfindet, wie GĂŒnther schreibt, ist ihr Buch kein starres Regelwerk Ă la "So musst du schreiben!", sondern ein Leitfaden zum Selbstcoaching.
Es geht darum, dass jede*r seine bzw. ihre eigenen, passenden Strategien entwickelt. Die vielen Fragen und Impulse im Buch dienen dazu, die eigenen BedĂŒrfnisse und Arbeitsweisen zu erkennen und darauf basierend individuelle Lösungen zu finden. GĂŒnther ermutigt die Leser*innen, ihren eigenen Arbeitsalltag, ihre Schreibprozesse und ihre Gewohnheiten kritisch zu hinterfragen: Wo liegen meine StĂ€rken, wo meine Herausforderungen? Wie kann ich meine Ressourcen besser nutzen und meine ArbeitsablĂ€ufe optimieren?
Es ist eine Einladung, den ganz persönlichen Weg zu finden. Auch das macht dieses Buch so besonders.
Wer den Arbeitsalltag an einer UniversitĂ€t kennt, weiĂ, dass man sich hier hĂ€ufig gehetzt und fremdbestimmt fĂŒhlt â von der Freiheit, mal in Ruhe ĂŒber komplexe Themen nachzudenken, können viele Wissenschaftler*innen nur trĂ€umen. GĂŒnther gibt Mut, dies nicht so hinzunehmen, sondern stattdessen bewusste Entscheidungen zu treffen und den eigenen "Schreiballtag" proaktiv und passend zu einem selbst zu gestalten.
Das Schreibleben â aus allen Blickwinkeln
An welchen Punkten man konkret ansetzen kann, um "das gute Leben und Arbeiten" fĂŒr sich persönlich erreichen zu können, fĂŒhrt GĂŒnther in sechs Kapiteln ausfĂŒhrlich aus: "Vor dem Schreiben", "Beim Schreiben", "Zwischen dem Schreiben", "Nach dem Schreiben", âHinter dem Schreibenâ und âUm das Schreiben herumâ.
Das Schreiben wird damit aus allen Richtungen, in seinem gesamten Kontext betrachtet. GĂŒnther gibt fĂŒr jede âBlickrichtungâ praktische Tipps und Strategien, um effizient und stressfrei zu arbeiten.
Ein wichtiger Aspekt, der sich dabei durch das Buch zieht, ist die bewusste Nutzung und das Management der eigenen Ressourcen â allen voran Zeit, aber auch Energie und Aufmerksamkeit.
GĂŒnther gibt Anregungen, wie man den Energiehaushalt besser steuert, Pausen sinnvoll einsetzt und achtsamer mit sich selbst umgeht, um Ăberforderung und Burnout vorzubeugen.
AuĂerdem thematisiert sie sehr einfĂŒhlsam typische Schwierigkeiten, mit denen viele Wissenschaftler*innen zu kĂ€mpfen haben: Perfektionismus, Prokrastination, Schreibblockaden, aber auch die Anforderungen und der enorme Druck des Wissenschaftssystems. Sie bietet konkrete Strategien und DenkanstöĂe, um WiderstĂ€nde zu erkennen, ihre Ursachen zu verstehen und konstruktiv damit umzugehen.
FĂŒr wen das Buch geeignet ist: Zielgruppe und meine Empfehlung
Selbstcoaching in der Wissenschaft richtet sich primĂ€r an Geisteswissenschaftler*innen, die an UniversitĂ€ten arbeiten und ihre Schreibprojekte mit all den typischen Verpflichtungen, die der Unialltag mit sich bringt, vereinbaren mĂŒssen. Neben Lehrveranstaltungen, Institutssitzungen, der Betreuung von Studierenden, der Bewertung von Hausarbeiten, administrativen Aufgaben und dem Einwerben von Drittmitteln kommen bei vielen Forschenden die eigenen Schreibprojekte leider regelmĂ€Ăig viel zu kurz. Und das, obwohl dem Schreiben ja nun eine sehr wichtige Rolle in der Forschung zukommt.
Trotz dieser spezifischen Zielgruppe bin ich der Meinung, dass auch Promovierende, die nicht an einer Uni arbeiten, aber ihr Schreibprojekt mit anderen Verpflichtungen ihres Alltags vereinbaren mĂŒssen, viele wertvolle Erkenntnisse aus GĂŒnthers Buch mitnehmen können.
GĂŒnthers Fokus auf Geisteswissenschaften merkt man dem Buch an, sodass ich es nicht unbedingt Promovierenden aus dem STEM-Bereich (Science, Technology, Engineering, Mathematics) empfehlen wĂŒrde, deren Arbeitsleben hĂ€ufig anders gestaltet ist durch z. B. Laborarbeit. Aber auch Promovierende aus den Kultur- und Sozialwissenschaften werden sich hier wahrscheinlich sehr gut abgeholt fĂŒhlen und viele Aha-Momente erleben.
Fazit: Mehr Balance im Schreibleben
Zusammenfassend kann man sagen, dass Katja GĂŒnther in ihrem Buch einen sehr praxisorientierten und gleichzeitig tiefgehenden Blick auf das wissenschaftliche Schreiben wirft. Sie ermutigt dazu, Schreiben als einen integrierten Bestandteil des (wissenschaftlichen) Lebens zu sehen und vermittelt mit diesem ganzheitlichen Ansatz eine wichtige Botschaft. Es regt intensiv zum Denken und Reflektieren an und steckt voller wertvoller Impulse fĂŒr die aktive und bewusste Gestaltung des eigenen Schreiblebens.
Das Buch ist anders geschrieben als die typischen amerikanischen Self-Help-BĂŒcher. Es ist an manchen Stellen essayistisch und fast poetisch in der Sprache. Vielleicht vom Stil her nicht jedermanns Sache.đ Aber ich finde, man kann es gut "wegschmökern" und sich von der besonderen AtmosphĂ€re mitnehmen lassen.
Also, wenn du auf der Suche nach einem Buch bist, das dir hilft, deine Promotion als Teil eines guten und ausgewogenen Lebens zu gestalten, dann ist Selbstcoaching in der Wissenschaft eine klare Empfehlung von mir!
Zum Weiterlesen
GĂŒnther, Katja (2020): Selbstcoaching in der Wissenschaft. Wie das Schreiben gelingt. Opladen & Toronto: Barbara Budrich.
Hier findest du alle BeitrĂ€ge mit Buchtipps fĂŒr die Promotionszeit.