Die Doktorarbeit überarbeiten: Step by step zur fertigen Dissertation

Fühlst du dich beim Überarbeiten deiner Doktorarbeit überfordert, weil du nicht weißt, wo du überhaupt anfangen sollst? Weil dein Rohtext noch ein ziemliches Chaos ist und du tausend Baustellen siehst? Vielleicht springst du auch von Absatz zu Absatz und verbesserst hier und dort etwas, hast aber keinen richtigen Plan, wie du strukturiert und effizient vorgehen kannst?

In diesem Beitrag zeige ich dir, in welchen Schritten du von der Rohfassung zu deiner fertigen Dissertation kommst und welche Grundsätze helfen, das Beste aus deiner Arbeit rauszuholen.

Die Doktorarbeit überarbeiten

Warum das Überarbeiten der Dissertation so wichtig ist

Ich schreibe es in fast jedem Beitrag auf diesem Blog, aber ich wiederhole mich an dieser Stelle gerne. ;-)

Niemand schreibt im ersten Anlauf eine druckreife Doktorarbeit.

Wissenschaftliches Schreiben ist einfach zu komplex dafür. Stattdessen ist es empfehlenswert, in der Phase des Zero Draft und beim Schreiben der Rohfassung ganz bewusst Chaos zuzulassen, der Kreativität freien Lauf zu lassen und sich vor allem auf das Aufschreiben von Inhalten zu konzentrieren.

Wenn du nun schon so etwas wie eine Rohfassung deiner Doktorarbeit produziert hast und damit den Großteil deiner Inhalte zu Papier gebracht hast, ist es an der Zeit, einen Schritt weiter zu gehen. Denn damit deine Inhalte gehört bzw. gelesen werden, müssen sie natürlich entsprechend aufbereitet werden.

Ein 'roter Faden' muss her, der Text gut strukturiert werden, Übergänge formuliert und Zwischenüberschriften eingefügt werden, holprige Sätze umformuliert und stilistisch verbessert werden. Und so weiter.

Erst durch das Überarbeiten wird aus deinen Gedanken, Ideen und Entwürfen eine richtige Doktorarbeit, die gut lesbar und verständlich ist und allen Ansprüchen an wissenschaftliche Arbeiten genügt.

Joan Bolker bringt es in ihrem Buch Writing Your Dissertation in Fifteen Minutes a Day auf den Punkt:

„[...] the more you revise, the clearer, more fluid, and more natural your writing will be. It’s not inspiration but hard work that produces simple, elegant writing.“

Und ja, es ist ganz schön viel Arbeit. Du musst aber nicht alles gleichzeitig machen, sondern kannst dich Schritt für Schritt vorarbeiten.



Rohfassungen mit Respekt behandeln

Bevor wir zum konkreten Fahrplan für die Überarbeitung deiner Doktorarbeit kommen, möchte ich noch ein paar Worte zu deiner Rohfassung verlieren.

Es ist nicht immer leicht, die eigenen Rohfassungen durchzulesen.

Ich bin ehrlich: So ungefähr 70 % eines Rohtextes ist mir meistens so peinlich, dass ich ihn NIEMALS irgendjemandem zeigen würde. Aber das muss ich zum Glück ja auch gar nicht. ;-)

Bei meinen Rohtexten verstecken sich kluge Ideen häufig hinter ganz fürchterlichen Formulierungen. Darauf muss ich mich gedanklich erst einmal einstellen, wenn ich einen eigenen Rohtext anschaue, um nicht direkt das Handtuch zu werfen.

Hier hilft es wirklich, sich bewusst zu machen, was man von einem Rohtext erwarten kann und was nicht. Natürlich braucht ein Rohtext noch reichlich Überarbeitung (er ist ja auch noch roh), aber trotzdem hat er Respekt verdient. Er ist schließlich die Grundlage für deine fertige Doktorarbeit!

Also: Mach dich nicht selbst fertig, wenn deine Rohfassung nicht deinen Ansprüchen genügt, sondern setz dich an die Arbeit, um das Beste aus ihr rauszuholen.

Dissertation überarbeiten: Der konkrete Fahrplan in 5 Schritten

Wie kannst du nun also konkret vorgehen?

Das wichtigste Prinzip lautet: HOC vor LOC. Oder auch ausformuliert: Higher Order Concerns vor Lower Order Concerns.

Zu den HOCs zählen der Inhalt, die Struktur deines Textes und der 'rote Faden' bzw. die Argumentationslinie.

Die LOCs umfassen Ausdruck, Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung.

Inhalt und Struktur deiner einzelnen Kapitel und der gesamten Arbeit sollten feststehen, bevor du dich mit stilistischen Feinheiten, Rechtschreibung und Grammatik auseinandersetzt.

Es macht nämlich keinen Sinn, viel Zeit in die Formulierung eleganter Überleitungen zu investieren, wenn du deine Absätze später noch zwischen verschiedenen Kapiteln hin- und herschiebst. Genauso lohnt sich Korrekturlesen noch nicht, wenn du eventuell noch ganze Textstellen ergänzt oder Sätze umformulierst.

Es gibt zwar nicht die eine magische Vorgehensweise, die für jede Doktorarbeit funktioniert. Nach meiner Erfahrung ist es aber bei vielen Doktorarbeiten sinnvoll, nach dem Prinzip 'HOC vor LOC' in diesen fünf Schritten vorzugehen:

Schritt 1

Alle Kapitel einzeln in Bezug auf den Inhalt überarbeiten. Inhalte ergänzen, löschen, ausarbeiten, verbessern etc.

Schritt 2

Alle Kapitel einzeln in Bezug auf die Struktur überarbeiten.

Jetzt geht es darum, die Reihenfolge und logische Gliederung deiner Inhalte innerhalb deiner Kapitel festzulegen. Dabei wirst du eventuell Inhalte zwischen Kapiteln hin- und herschieben. Vielleicht wirst du auch mehrere Kapitel miteinander kombinieren oder – im Gegenteil – Unterkapitel schaffen, durch die ein langes Kapitel besser gegliedert ist.

Schritt 3

Die Struktur der gesamten Arbeit in den Blick nehmen.

Nun solltest du das große Ganze zu einer runden Sache machen. Das schaffst du, indem du die Funktion jedes Kapitels für die gesamte Arbeit überprüfst und die logische Reihenfolge deiner Kapitel festlegst.

Dabei kann es natürlich passieren, dass du doch noch Inhalte zwischen einzelnen Kapiteln verschiebst, weil es deine Doktorarbeit 'runder' macht.

Schritt 4

Einzelne Kapitel sprachlich und stilistisch überarbeiten.

Nun geht es ans Sätze verbessern, Absätze kürzen oder ergänzen, den 'roten Faden' sprachlich durch Überleitungen zwischen Absätzen umsetzen usw.

Eventuell zeigt sich beim Schreiben von Überleitungen, dass die Struktur deiner Kapitel doch noch etwas verbessert werden kann.

Schritt 5

Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung korrigieren.

Hierfür ist es empfehlenswert, in einem Durchlauf nur auf Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung zu lesen und sich ganz darauf zu konzentrieren.


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3 Grundsätze für das Überarbeiten der Dissertation

Damit du während dieser Schritte wirklich das Beste aus deiner Rohfassung machst, helfen diese drei Grundsätze.

1. Offen bleiben

Wie du an dem Ablauf der Schritte siehst, geht es leider nicht immer so ganz linear. Es kommt zum Beispiel vor, dass man erst bei der sprachlichen Überarbeitung merkt, dass die Struktur eines Kapitels nicht gut funktioniert. Denn wenn man etwas schriftlich auf den Punkt bringen muss, zeigt sich deutlich, wo es noch hakt.

Es ist zwar gut, sich an den fünf Schritten zu orientieren, um nicht planlos vor einem riesigen Berg Arbeit zu sitzen. Trotzdem ist es wichtig, immer offen zu bleiben.

Offen für Veränderungen, für Kürzungen, für Ergänzungen, für rigorose Umstrukturierungen, manchmal sogar dafür, das große Ganze deiner Dissertation völlig anders zu formen, als du zuvor geplant hattest.

2. Deine Leser*innen stehen im Mittelpunkt

Während du beim Rohfassung schreiben zunächst nur für dich geschrieben hast, schreibst du nun für deine Leser*innen. Von einem schreiberorientierten entwickelt sich deine Doktorarbeit nach und nach zu einem adressatenorientierten Text.

Durch das Überarbeiten wird deine Doktorarbeit auf die Außenwelt, auf dein Publikum vorbereitet. Deshalb ist es auch wichtig, eben dieses Publikum während des Überarbeitens im Hinterkopf zu behalten.

Du solltest dich während dieser Phase  immer wieder fragen (die Reihenfolge der Fragen läuft von HOC zu LOC):

  • Was ist geteiltes Wissen der wissenschaftlichen Community, das keiner weiteren Erläuterung bedarf (common ground)?

  • Was ist neu für meine Leser*innen?

  • Welche Informationen brauchen meine Leser*innen, um meiner Argumentation folgen zu können?

  • Welche Fachbegriffe muss ich für meine Leser*innen einführen und definieren?

  • Welche Überleitungen brauchen meine Leser*innen, um mir gut und einfach folgen zu können?

  • An welchen Stellen sollte ich meine Aussagen zusammenfassend wiederholen, damit sie meinen Leser*innen präsent sind?

  • Was kann ich für meine Leser*innen übersichtlich in Tabellen oder Abbildungen zusammenfassen bzw. illustrieren?

  • An welchen Stellen sollte ich meine Aussagen für meine Leser*innen noch klarer, präziser und verständlicher formulieren?

  • Wo kann ich kürzen, um für meine Leser*innen möglichst prägnant zu sein?

Du solltest immer anstreben, deinen Leser*innen den besten Service zu bieten.

3. Den*die innere*n Kritiker*in aus dem Käfig lassen

Und noch etwas ist in dieser Phase des Schreibprozesses fundamental anders als in allen vorherigen: Ab jetzt darfst du deine*n innere*n Kritiker*in zu Wort kommen lassen.

Beim Rohfassung schreiben hatten wir versucht, diese innere Stimme so gut es geht im Zaum zu halten, um mutig neue Ideen und Gedanken ausprobieren zu können. Nun ist es aber an der Zeit, diese Ideen und Gedanken auf ihre Stichhaltigkeit zu überprüfen.

Während du deine Inhalte überarbeitest, solltest du dich deshalb fragen:

  • Welche meiner Ideen haben Bestand, welche stehen nur auf dünnem Eis?

  • Kann ich meine Aussagen ausreichend belegen und begründen?

  • An welcher Stelle könnte man auch anders argumentieren?

  • Was spricht für meine Sichtweise der Dinge, was dagegen?

Manchmal ist es hilfreich, probeweise den genau entgegengesetzten Standpunkt einzunehmen. Versuche mal, selbst gegen deine Ergebnisse anzuargumentieren. So wird klarer, welche Textteile strittig sein könnten und wo du deine Aussagen noch besser begründen musst.

Wie viel Zeit du zum Überarbeiten einplanen solltest

Einen Text vom Umfang einer Doktorarbeit zu überarbeiten, ist keine schnelle Angelegenheit. Viele Schreiber*innen geben an, dass sie ungefähr ein Drittel oder sogar die Hälfte der gesamten Schreibzeit in die Überarbeitung ihrer Texte stecken müssen, damit aus einem Rohdiamanten ein echtes Schmuckstück werden kann.

Wie stark ein Rohtext tatsächlich überarbeitet werden muss, ist allerdings ziemlich individuell.

Wenn du schon beim Erstellen deiner Rohfassung gerne geplant und strukturiert vorgehst (du also eher der Schreibtyp top-down bist), dann benötigst du vielleicht nur ein paar Überarbeitungsschleifen, um zu einem fertigen Text zu kommen. Dir reicht dann vielleicht schon ein Drittel der gesamten Schreibzeit.

Wenn du aber eher ein*e bottom-up Schreiber*in bist, der*die gerne kreative, dafür aber zunächst auch chaotische Texte schreibt, wirst du mehr Zeit für die Überarbeitung einplanen müssen. Plane in so einem Fall am besten die Hälfte der gesamten Schreibzeit ein. Wenn du beispielsweise ein Kapitel deiner Dissertation über einen Zeitraum von insgesamt vier Monaten fertigstellen möchtest, ist es wahrscheinlich, dass du ca. zwei Monate nur für die Überarbeitung benötigst.

Wann du genug überarbeitet hast

"The best dissertation is a done dissertation", sagt Joan Bolker. Und damit hat sie absolut Recht.

Egal, wie viel du überarbeitest, deine Doktorarbeit wird nicht perfekt werden. Es gehört viel Mut dazu, mit dem Überarbeiten aufzuhören. Aber irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem deine Dissertation durch das Überarbeiten nur noch marginal besser wird.

Bleib offen dafür, nimm allen Mut zusammen und lass deine Doktorarbeit in die Welt hinaus. :-)

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