Zeitmanagement während der Promotion: Wie du endlich schaffst, was du dir vornimmst

Fühlt es sich an, als würde deine Promotionsarbeit jedes Mal doppelt so lange dauern, wie du geplant hast? Du erstellst einen detaillierten Zeitplan nach dem nächsten, nur um ihn nach wenigen Wochen frustriert zu zerreißen? Abends blickst du auf deinen Schreibtisch und fragst dich, was du den ganzen Tag getan hast? Und das, obwohl du doch schon fleißig mit diversen Zeitmanagement-Tools wie Time Blocking, SMART-Zielen und Meilensteinen arbeitest…

Die Wahrheit ist: Du bist weder faul noch unorganisiert. Das Problem liegt nicht bei dir, sondern in deinem Planungssystem. Viele etablierte Zeitmanagement-Methoden sind perfekt für Routine- und Abarbeitungsaufgaben, scheitern aber kläglich, sobald wissenschaftliches Arbeiten ins Spiel kommt. 

In diesem Artikel erfährst du, welche zwei fundamental verschiedenen Arbeitsmodi es gibt und warum diese Unterscheidung der Schlüssel zu einem funktionierenden Zeitmanagement während der Promotion sein kann.


1 Alles braucht immer länger als gedacht

Kennst du das?

Die Aufgaben, die du dir für diese Woche vorgenommen hast, hast du mal wieder nicht alle geschafft.

Aktuell erstellst du den 17. Zeitplan für dein Promotionsprojekt und weißt insgeheim, dass auch dieser nach 3 Monaten nicht mehr einzuholen sein wird.

Deine Monatsplanung für November ist bereits am 15.11. völlig unrealistisch und deine Ziele unerreichbar geworden.

Du arbeitest den ganzen Tag und fragst dich abends beim Blick auf deinen Output, was du eigentlich den ganzen Tag über gemacht hast.

Kurz gesagt: Alles dauert immer viel länger als gedacht.

Wenn du dich in diesen Sätzen wiederfindest – dann willkommen im Club! Du gehörst auch zu den vielen, vielen Promovierenden, die meistens nicht schaffen, was sie sich vorgenommen haben. (Ich selbst war während meiner Promotionszeit lange Zeit Ehrenmitglied besagten Clubs.)

Wenn auch du Teil dieses großen Clubs bist, dann kommt dir vielleicht auch dieser Zyklus bekannt vor:

Du erstellst einen Plan. Du definierst Meilensteine und Zwischenziele. Du weißt genau, was du von nun an zu tun hast. All das fühlt sich gut an, denn ein Plan bedeutet, dass du alles unter Kontrolle hast!

Nur leider … hält dieser Plan nicht, was er verspricht. Alles dauert länger, und nach kurzer Zeit ist der aufwändig erarbeitete Plan völlig unrealistisch geworden.

Das macht dich natürlich unzufrieden und führt zu innerem Stress. Vielleicht reagierst du auf eine dieser beiden Arten:

  • Du denkst, dass du mehr und länger arbeiten musst und haust richtig rein – bis zur völligen Erschöpfung.

  • Oder du resignierst – dein Plan wirkt sowieso unerreichbar, sodass du dich gar nicht mehr richtig aufraffen kannst, überhaupt etwas für dein Promotionsprojekt zu tun.

Um einen Ausweg aus dieser stressigen und von Unzufriedenheit geprägten Situation zu finden, bleibt dir nur eines: einen neuen Plan erstellen! Das fühlt sich erstmal wieder gut an, denn jetzt hast du es wirklich unter Kontrolle. Dein innerer Stress lässt nach. 

Aber leider schließt sich hier der Stresszyklus und alles beginnt von Neuem.

2 Warum ist das Zeitmanagement während der Promotionszeit so schwierig?

Eigentlich sind die Techniken, die du nutzt, ja etablierte Methoden und funktionieren häufig gut: Zeitpläne erstellen, Meilensteine und Zwischenziele definieren, Aufgaben terminieren und bestimmten Zeiträumen zuweisen (Time Blocking)…

Warum klappt es während der Promotionszeit nicht?

Wenn wir nicht das schaffen, was wir uns vorgenommen haben, dann geben wir uns ja schnell selbst die Schuld: Ich habe zu langsam gearbeitet, ich habe zu wenig gearbeitet, ich bin zu schlecht, ich müsste fleißiger sein, ich müsste früher aufstehen, ich müsste abends länger arbeiten. 

Aber kann das sein? Kann es sein, dass so viele Promovierende zu schlecht, zu faul, zu langsam oder zu unstrukturiert sind, um ihre Arbeit vernünftig zu planen?

Ich sage: nein! Es liegt nicht an dir.

Es liegt am System. Und zwar am Planungssystem.

Deine Arbeit braucht immer länger als gedacht, nicht weil du zu schlecht, zu faul oder zu sonstwas bist, sondern weil du mit dem falschen Arbeitsmodus planst

3 Die zwei Arbeitsmodi

Aufgaben und Tätigkeiten lassen sich in zwei unterschiedliche Modi unterteilen: Exekutiver Modus und explorativer Modus.

Ein wichtiger Schlüssel zum erfolgreichen Zeitmanagement liegt darin, diese Modi zu erkennen, sie nicht miteinander zu verwechseln und Zeitmanagement-Tools passend zum geforderten Modus zu verwenden.


Faden verloren? Total verzettelt?

Lad dir den Fahrplan für deine Dissertation (für 0€) herunter und bring dein Promotionsprojekt wieder unter Kontrolle!

👉 Das will ich!

3.1 Exekutiver Modus

Aufgaben und Tätigkeiten, bei denen der exekutive Modus gefragt ist, sind Dinge, die man abarbeiten kann. Der Prozess ist völlig klar – man weiß, was zu tun ist und wie lange es (ungefähr) dauern wird – und muss nur noch umgesetzt werden.

Viele Alltagstätigkeiten fallen darunter: Ich weiß beispielsweise, dass ich ungefähr 20 Minuten brauche, um das Badezimmer zu putzen. Die einzelnen Schritte sind immer gleich und können nacheinander abgearbeitet werden. Völlig vorhersagbar, kontrollierbar, planbar. Ich kann mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass ich nach ca. 20 Minuten mein Ziel – ein sauberes Badezimmer – erreicht haben werde.

3.2 Explorativer Modus 

Vollkommen anders als der exekutive Modus ist der explorative Modus. Dieser Arbeitsmodus ist immer dann gefragt, wenn es um kreative, innovative und eben explorative Arbeit geht, bei der sich nicht genau vorhersagen lässt, wie der Arbeitsprozess aussehen wird.

Viele Tätigkeiten in der Forschung sind mit kreativer, innovativer, explorativer Arbeit verbunden.

Wenn wir beispielsweise ein Paper lesen, dann wissen wir vorher noch nicht, was uns erwartet.

Vielleicht merken wir ab S. 4, dass das Paper doch nicht so richtig relevant für uns ist, überfliegen schnell den Rest, legen es dann beiseite und widmen uns dem nächsten Paper. 

Oder aber wir merken auf S. 4, dass da eine Aussage steht, die hochrelevant für unser eigenes Forschungsvorhaben ist und eine neue Perspektive auf die Interpretation unserer eigenen Forschungsergebnisse eröffnet. Inspiriert von diesem Gedanken schauen wir direkt noch einmal in unsere eigenen Auswertungen rein und erkennen plötzlich ganz neue Zusammenhänge.

In diesem Fall hat das Lesen eines Papers zu einem ganzen Rattenschwanz an anderen Tätigkeiten geführt, die vorher in keinster Weise abzusehen waren.

Vielleicht war das Ziel des Tages, mindestens 3 Paper durchzuarbeiten und ein paar Seiten zum Forschungsstand zu schreiben – das haben wir leider nicht erreicht, denn wir haben nur ein einziges Paper gelesen und es ist keine Zeile Text in unserem Dokument dazugekommen. 

Aber wir haben neue Ideen entwickelt, die die Qualität unserer Dissertation erhöhen werden. Völlig ungeplant.

Explorative Arbeit ist allerdings nicht immer effizient. Häufig ist sie sogar ziemlich ineffizient.

Ideen werden angedacht, durchdacht – und dann manchmal doch wieder verworfen. Ein halber Tag Gedankenarbeit könnte zu der Erkenntnis führen, dass die Idee, auf der man nun stundenlang herumgekaut hat, es leider doch nicht wert ist, weiterverfolgt zu werden. 

Oder aber ein halber Tag Gedankenarbeit könnte zu einer richtig guten Idee für die Diskussion der eigenen Forschungsergebnisse führen, die dann zentral für die eigene wissenschaftliche Arbeit wird. 

Wer weiß, alles ist möglich! Und das macht explorative Arbeit aus.

3.3 Eher exekutive und eher explorative Aufgaben während der Promotionszeit

Beide Arbeitsmodi sind relevant während der Promotionszeit. Aufgaben und Tätigkeiten, für die eher der exekutive Modus gefragt ist, sind zum Beispiel:

  • Verschiedene Aufgaben im Zusammenhang mit der empirischen Datenauswertung (z.B. Daten durchsehen und kategorisieren)

  • Transkription von Interviews nach klaren Regeln

  • Formatierung von Tabellen und Abbildungen nach Vorgaben

  • Eigene Forschungsergebnisse darstellen und beschreiben (aber nicht interpretieren und diskutieren)

  • Literaturverwaltung (Quellen einpflegen, Metadaten checken)

  • Fertigstellung und letzte Überarbeitungsschleifen der Texte (stilistische Überarbeitung, Korrekturlesen)

Bei all diesen Tätigkeiten ist der Prozess einigermaßen klar und relativ gut planbar. Man kann eine To-do-Liste schreiben, Zeit einplanen und loslegen.😊

Eher explorative Aufgaben während der Promotionszeit sind zum Beispiel:

  • Thema finden, Fragestellungen entwickeln

  • Theoretische Konzepte erarbeiten

  • Forschungsstand erarbeiten

  • Eigene Forschungsergebnisse interpretieren und diskutieren

  • Gliederungen und roten Faden erarbeiten

  • Rohtexten

  • Abbildungen planen und entwickeln

  • Erste Überarbeitungsschleifen

Du siehst, diese Liste umfasst viele zentrale Aufgaben. Eher explorative Tätigkeiten nehmen also einen großen Raum während der Promotionszeit ein.

Wie du vielleicht bemerkt hast, schreibe ich hier von “eher exekutiven” und “eher explorativen” Aufgaben, denn in der Realität ist die Abgrenzung natürlich nicht immer binär (entweder/oder), sondern oft graduell. Eine Aufgabe ist selten zu 100% exekutiv oder explorativ. Beispielsweise ist das Rohtexten (explorativ) oft mit dem Hineinkopieren und Beschreiben von Forschungsergebnissen (exekutiv) verwoben. Einige Aufgaben beginnen auch eher explorativ und enden eher exekutiv – zum Beispiel, wenn du den roten Faden für ein Kapitel entwickelst (explorativ) und anschließend deine schon vorhandenen Textteile im Dokument dementsprechend sortierst und strukturierst (exekutiv).

4 Das passiert, wenn du mit dem falschen Arbeitsmodus planst

Probleme und Frust entstehen häufig dann, wenn du mit Zeitmanagement-Methoden arbeitest, die nicht zu deinem dominierenden Arbeitsmodus passen.

Wenn du eine eher explorative Aufgabe vor dir hast, aber mit Zeitmanagement-Methoden des exekutiven Modus planst, dann geht das meistens nicht gut aus. 

Leider passiert genau das sehr vielen Promovierenden. Sie behandeln explorative Aufgaben wie exekutive Aufgaben und erwarten planbaren Output.

Zeitpläne erstellen, Meilensteine definieren, Aufgaben terminieren – für all diese Zeitmanagement-Tools ist planbarer Output notwendig, damit sie überhaupt funktionieren können. Da der Output von eher explorativen Aufgaben aber nicht und oder nur sehr schlecht planbar ist, werden viele Promovierende immer unzufriedener mit dem eigenen Fortschritt.

Einige Promovierende haben aber auch mit der gegenteiligen Herausforderung zu kämpfen: Wenn du eher exekutive Aufgaben, die einfach abgearbeitet werden müssen, mit der offenen Haltung des explorativen Modus angehst (z.B. indem du dich immer wieder von neuen Ideen ablenken lässt), wirst du hier zu ineffizient.

Auch während der Abschlussphase der Promotion sollte der explorative Arbeitsmodus bewusst verlassen werden und der Fokus auf dem exekutiven Modus liegen: Abarbeiten, fertigstellen, Dinge abschließen. Wenn die Dissertation fertig werden soll, darf ab einem gewissen Punkt nicht mehr jeder neuen Idee – jedem "shiny new object" – nachgejagt werden. Die Zeit des Ausprobierens ist dann vorbei und der Prozess bis zur Abgabe sollte einigermaßen klar und planbar sein. In dieser Phase klappt es dann auch mit den üblichen Zeitmanagement-Methoden häufig wieder besser. 


Faden verloren? Total verzettelt?

Lad dir den Fahrplan für deine Dissertation (für 0€) herunter und bring dein Promotionsprojekt wieder unter Kontrolle!

👉 Das will ich!

5 Fazit: Wie du endlich schaffst, was du dir vornimmst

Die Lösung des “Alles braucht immer länger als gedacht”-Dilemmas liegt darin, sich im ersten Schritt bewusst zu machen, mit welcher Art Aufgabe man es gerade zu tun hat: eher exekutiv oder eher explorativ? Für eine effektive Planung ist es entscheidend, den dominierenden Modus zu identifizieren.

Steht gerade eine eher exekutive Aufgabe an, dann ist der Arbeitsprozess klar und relativ präzise planbar, aber Vorsicht: Wir neigen dazu, die benötigte Zeit zu unterschätzen (Planning Fallacy). Daher ist es sinnvoll, ausreichend Pufferzeiten einzuplanen.

Steht statt einer exekutiven aber gerade eine eher explorative Aufgabe an, dann könnte man im zweiten Schritt versuchen, ein paar Dinge zu akzeptieren:

Akzeptieren, dass der Output gar nicht oder nur schlecht planbar ist.

Akzeptieren, dass das Arbeiten ineffizient sein wird.

Akzeptieren, dass Fehler passieren werden und dass man in Sackgassen geraten wird. 

Das alles hat kreative Arbeit zur Problemlösung und Exploration nunmal an sich. 

Und um nun endlich auch bei eher explorativen Aufgaben das zu schaffen, was man sich vornimmt, könnte man im dritten Schritt an der “sich etwas vornehmen”-Schraube drehen. 

Denn wenn kreative, innovative, explorative Arbeit von dir verlangt ist, dann ist es keine gute Idee, sich einen bestimmten Output vorzunehmen.

Stattdessen kann man sich aber einen bestimmten Input vornehmen.

Eine Doktorandin in einer Schreibgruppe von mir sagte mal zu ihrem Wochenplan: “Ich arbeite morgen für 2 Stunden an Kapitel 3 meiner Diss und schau mal, wie weit ich komme.”

So ein Vorgehen erfordert Mut, denn man löst sich damit von einem Kontrolle suggerierenden Zeitplan. Es geht dabei aber nicht darum, die Kontrolle komplett abzugeben und passiv zu werden. Vielmehr wird die Kontrolle von dem unplanbaren Ergebnis (Output) hin zu dem, was man beeinflussen kann, verlagert: dem verlässlichen Input (Zeit und Fokus). Das ist eine bewusste, aktive Entscheidung.

Am nächsten Tag hatte sie nach den 2 Stunden Arbeit an der Dissertation ihr Ziel erreicht – ganz unabhängig vom Output – und konnte zufrieden auf ihren Arbeitstag blicken. Und mit ihrer Dissertation geht es stetig voran.☺️

Diese Blogbeiträge könnten dich auch interessieren:

Weiter
Weiter

Promotionsbetreuung: So holst du dir das beste Feedback für deine Dissertation