Mit der Hand schreiben

Tools für Lesenotizen, Tools für die Projektorganisation, Tools für Mind-Maps… Promovieren geht mittlerweile völlig digital und papierfrei. Total praktisch! Neben allen Vorteilen führt das aber auch dazu, dass wir viel tippen und selten bis gar nicht mit der Hand schreiben. Warum das eventuell nicht optimal für den Promotionsprozess ist, zeigt eine norwegische Studie, von der ich dir in diesem Blogbeitrag berichte.


Handschriftlich oder getippt?

Tippen ist praktisch, geht schnell, das Geschriebene ist digital gespeichert, einfach wiederzufinden und unproblematisch veränderlich – alles ziemlich praktisch, wenn man viel Schreiben muss wie in einem Promotionsprojekt.

Deshalb überrascht es auch nicht, dass immer mehr Promovierende digitale Tools nutzen, um ihre Lesenotizen zu erfassen, um Mind-Maps zu erstellen, um ihre Gedanken auf digitalen Pinnwänden zu organisieren usw.

Tools wie Trello, Obsidian, Scrivener, Asana, Notion usw. sind unglaublich praktisch – keine Frage.

Und sie ermöglichen es, völlig papierfrei zu promovieren. Kein Zettel-Chaos, kein Durcheinander auf dem Schreibtisch, keine Sammlung von Ordnern im Regal, es ist immer alles da, man braucht nur den Laptop.

Ich selbst bin auch ein großer Fan von solchen digitalen Tools. Ich mag einen aufgeräumten Schreibtisch. Und ich mag das Gefühl, dass ich den Überblick habe. Dass alles an Ort und Stelle wiederzufinden ist.

Und trotzdem …

✍️notiere ich to-dos gerne auf irgendeinem Zettel.

✍️schreibe ich Notizen für einen Vortrag handschriftlich auf.

✍️drucke ich mir manche Fachtexte aus, wenn ich sie besonders gründlich durcharbeiten möchte, um mir direkt handschriftliche Notizen an den Rand machen zu können.

✍️nehme ich mir ein großes Blatt Papier und einen Stift, wenn ich erste Ideen zu einem Thema brainstormen möchte.

Warum?

✍️Weil ich an mir selbst merke, dass mir die Aufgaben einer handgeschriebenen to-do-Liste eher im Gedächtnis bleiben als die einer getippten.

✍️Weil ich weiß, dass ich meine handschriftlichen Vortragsnotizen während des Vortrags wahrscheinlich nicht brauchen werde, weil ich sowieso alles im Kopf habe.

✍️Weil ich weiß, dass ich bei neuen, komplexen Themen schneller und leichter einen Zugang finde, wenn ich zunächst handschriftlich arbeite.

✍️Weil ich kreativer denken und arbeiten kann, wenn ich irgendwas niedrigschwellig mit der Hand kritzle statt gleich etwas gefühlt Offizielles zu tippen.

Um ehrlich zu sein – ich habe lange damit gehadert, noch so viel handschriftlich zu erledigen. Es gibt ja immerhin so tolle digitale Tools, die eigentlich alles einfacher machen!

Müsste gerade ich – als Schreibberaterin für Promovierende – da nicht fortschrittlicher sein?🤔

Mittlerweile kann ich diese Frage selbstbewusst mit einem eindeutigen Nein! beantworten.

Denn ich bin auf eine interessante Studie gestoßen, die zeigt, weshalb wir nicht nur auf Tippen setzen sollten.😊

Warum auch “mit der Hand schreiben” sinnvoll ist

Dass das Schreiben mit der Hand sinnvoll ist, zeigt eine EEG-Studie einer norwegischen Forschungsgruppe (veröffentlicht in Frontiers in Psychology).

Die Wissenschaftler*innen haben 36 Studierenden eine Kappe mit Elektroden aufgesetzt, die die Aktivität des Gehirns misst. So ausgerüstet sollten die Studierenden mehrmals ein Wort entweder mit einem digitalen Stift auf einen Bildschirm schreiben oder auf einer Tastatur tippen.

Und hierbei zeigte sich deutlich, dass der Prozess der Buchstabenbildung per Hand – also das Formen der Buchstaben mit einem Stift – zu einer besseren Gehirnkonnektivität in bestimmten Regionen führt. Der visuelle und Bewegungsreiz beim Schreiben mit der Hand scheint also einen entscheidenden Einfluss auf die Bildung von Verknüpfungen in bestimmten Hirnregionen zu haben.

Diese Verknüpfungen sind für die Gedächtnisleistung wichtig, sodass Grund zur Annahme besteht, dass wir uns Inhalte, die wir mit der Hand aufschreiben, womöglich besser erschließen und leichter merken können.

Tippen hat also laut dieser Studie im Vergleich zum Schreiben mit der Hand deutliche Nachteile, wenn es darum geht, etwas Neues zu lernen, sich etwas zu erschließen und sich etwas zu merken.


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Wie du während der Promotion sinnvoll handschriftlich arbeiten kannst

Die Ergebnisse der norwegischen Studie zeigen, dass handschriftliches Schreiben (egal, ob mit einem “echten” oder einem digitalen Stift wie in der Studie) insbesondere in Lernkontexten wie Schule oder Studium einen festen Platz haben sollte.

Aber was ist mit der Promotionszeit?

Nein, du sollst natürlich nicht deine Paper oder deine Dissertation handschriftlich vorschreiben und dann noch einmal abtippen.😉

Deine Hauptschreibarbeit für die Promotion wird natürlich tippend stattfinden.

Und ich würde dir auch stark empfehlen, nicht alle deine Notizen zur Forschungsliteratur ausschließlich handschriftlich anzufertigen, sondern (auch) digital zu arbeiten, um einen besseren Überblick zu behalten.

Trotzdem kannst du von den oben erwähnten Vorteilen profitieren, indem du auch immer mal wieder zu Stift und Papier (oder einer digitalen Variante davon) greifst.

Ob und wie du das sinnvoll tun kannst, hängt stark davon ab, in welcher Phase deines Promotionsprozesses du dich gerade befindest. Denn wenn du beispielsweise gerade ganz am Anfang in der Orientierungsphase steckst, hast du es natürlich mit ganz anderen Aufgaben zu tun, als wenn du schon dabei bist, die Rohfassung deiner Dissertation zu schreiben. (Mehr zu den verschiedenen Phasen des Promotionsprozesses kannst du hier nachlesen.)

Im Folgenden habe ich dir eine Sammlung von Ideen mitgebracht, wie du das Schreiben mit der Hand sinnvoll in deine Promotion integrieren kannst:

✏️Brainstormen von ersten Forschungsideen, Forschungsfragen und Themen, die man weiterverfolgen möchte

✏️Erste Notizen/Stichpunkte zur Forschungsliteratur (bei der ersten Annäherung an einen Fachtext; später besser digital arbeiten, um den Überblick zu behalten)

✏️Fokussiertes Free Writing (10 Minuten lang alle Gedanken unzensiert und ohne Pause zu einem Thema aufschreiben), um in den Schreibfluss zu kommen und Schreibblockaden abzubauen

✏️Nicht-lineare, vernetzte Visualisierungen, um sich Themenbereiche zu erschließen und Strukturen zu finden, zum Beispiel in Form von Mind-Maps oder Concept-Maps

✏️Mit Post-its arbeiten, um Gliederungen auszuprobieren: Themen für Kapitel/Unterkapitel auf Post-its aufschreiben und verschiedene Reihenfolgen ausprobieren/durchdenken

✏️Reflexion der eigenen Schreib- und Arbeitsroutine (z. B. indem du dir notierst, was schon gut läuft und wo du noch Verbesserungspotential siehst)

✏️To-do-Listen oder Aufgabenliste erstellen

✏️Erfolgstagebuch (oder done-Liste) führen, um die eigene Motivation zu steigern und den Fortschritt sichtbar zu machen (lies hier mehr darüber)

✏️Auch ein Forschungstagebuch kann handschriftlich geführt werden (hier findest du mehr zum Forschungstagebuch)


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Fazit

Handschriftlich oder getippt – beides hat Vor- und Nachteile. Die Ergebnisse der erwähnten Studie zeigen, dass wir trotz aller praktischen Vorteile, die digitale Tools mit sich bringen, das Schreiben mit der Hand nicht ganz vernachlässigen sollten. Insbesondere, wenn es um intellektuelle Höchstleistungen geht (wie in einem Promotionsprozess).

Wie viel man mit der Hand schreiben oder wie viel man tippen möchte, ist natürlich auch eine Frage der persönlichen Vorlieben.

Probiere aus, was für dich gut funktioniert.😊

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